Ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung stellt stets eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Besonders kritisch ist die Lage, wenn der Verdacht aufkommt, dass ein beauftragter Subunternehmer lediglich eine sogenannte Scheinfirma war. In solchen Fällen geraten nicht nur die eigentlichen Hintermänner dieser Firmen in den Fokus der Ermittlungen – sondern auch die Auftraggeber, die mit diesen Gesellschaften zusammengearbeitet haben.
Gerade im Baugewerbe, in der Logistik oder in der Gebäudereinigung, wo Subunternehmerketten üblich sind, ist das Risiko hoch, ungewollt mit einer Scheinfirma in Kontakt zu geraten. Die Folgen können schwerwiegend sein – sowohl strafrechtlich als auch wirtschaftlich und persönlich. Deshalb ist eine frühzeitige, spezialisierte Verteidigung unabdingbar.
Was ist eine Scheinfirma?
Als Scheinfirma wird ein Unternehmen bezeichnet, das zwar formal angemeldet ist, tatsächlich jedoch keine eigenständigen geschäftlichen Tätigkeiten entfaltet. Es existiert nur auf dem Papier und dient in der Praxis dazu, Scheinrechnungen zu erstellen. Diese wiederum werden von Auftraggebern genutzt, um Vorsteuer abzuziehen oder Betriebsausgaben vorzutäuschen.
In der Realität wird mit den Geldern, die auf die Scheinfirma fließen, häufig Schwarzarbeit entlohnt oder Gelder ins Ausland verschoben. Die formalen Rechnungen sollen dabei den Eindruck ordnungsgemäßer Geschäftsvorgänge vermitteln – doch in Wahrheit existiert weder eine eigene Infrastruktur noch Personal oder echte Leistungserbringung.
Wann wird daraus Steuerhinterziehung?
Nach § 370 der Abgabenordnung (AO) macht sich derjenige strafbar, der gegenüber dem Finanzamt unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Im Kontext von Scheinfirmen kann dies insbesondere dann gegeben sein, wenn:
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Vorsteuer aus Scheinrechnungen geltend gemacht wird,
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Betriebsausgaben angesetzt werden, denen keine reale Leistung gegenübersteht,
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gezielt Rechnungen „eingekauft“ werden, um Schwarzgeld zu legitimieren,
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die Zahlungsempfänger nicht identifizierbar oder steuerlich nicht registriert sind.
Selbst wenn der Auftraggeber vorgibt, über die Scheinstruktur nichts gewusst zu haben, kann der Verdacht auf (mindestens) bedingten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit entstehen – was für eine strafrechtliche Haftung regelmäßig ausreicht.
Welche Folgen drohen im Ernstfall?
Ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung ist kein Verwaltungsakt – es geht um ein Verbrechen mit hoher strafrechtlicher Relevanz. Die möglichen Konsequenzen im Überblick:
Freiheitsstrafe oder hohe Geldstrafe
Bereits einfache Steuerhinterziehung kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Bei besonders schweren Fällen – etwa bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung, großem Steuerschaden oder bei Nutzung von Scheinfirmen – sind bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe möglich. Ab einem Hinterziehungsbetrag von 50.000 Euro gilt ein besonders schwerer Fall regelmäßig als gegeben.
Eintragung ins Führungszeugnis
Eine strafrechtliche Verurteilung führt nicht nur zu einem Eintrag im Bundeszentralregister, sondern – je nach Höhe der Strafe – auch ins polizeiliche Führungszeugnis. Das kann zur Folge haben, dass betroffene Personen keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten, ihre gewerbliche Zulassung verlieren oder als Geschäftsführer untragbar werden.
Gewerberechtliche Konsequenzen
Wer als Unternehmer wegen Steuerstraftaten verurteilt wird, verliert häufig seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit. Die Folge kann der Entzug der Gewerbeerlaubnis, der Ausschluss aus Ausschreibungen oder die Aberkennung der Zulassung nach der Handwerksordnung sein.
Persönliche Haftung der Geschäftsführer
Für Geschäftsführer einer GmbH oder UG bedeutet dies: Selbst wenn die Steuerverkürzung durch den beauftragten Subunternehmer erfolgte, können sie persönlich belangt werden – wenn sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben oder sich auf fragwürdige Geschäftspartner eingelassen haben. Das betrifft nicht nur die strafrechtliche Verantwortung, sondern auch zivilrechtliche Schadenersatzansprüche.
Rechtsprechung zur Vorsteuer aus Scheinrechnungen
Die Rechtsprechung sieht den Vorsteuerabzug aus Rechnungen nur dann als zulässig an, wenn die abgerechnete Leistung auch tatsächlich von dem Rechnungsaussteller erbracht wurde. Wurde die Leistung durch Dritte oder gar nicht erbracht, und ist dies für den Rechnungsempfänger erkennbar gewesen, wird der Vorsteuerabzug regelmäßig versagt.
So entschied der Bundesfinanzhof (Az. V R 29/19), dass der Leistungsempfänger keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug hat, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass die Firma, deren Rechnung er nutzt, lediglich eine Scheinfirma ist. Das bedeutet: Schon das bloße Ignorieren von Auffälligkeiten kann als „Wissenmüssen“ im strafrechtlichen Sinne gewertet werden.
Wann liegt Fahrlässigkeit oder Vorsatz vor?
Ob ein Auftraggeber vorsätzlich handelt oder grob fahrlässig, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Der Vorwurf lautet häufig, dass dem Auftraggeber bewusst gewesen sei – oder bewusst hätte sein müssen –, dass der Subunternehmer keine eigene betriebliche Substanz hatte.
Typische Verdachtsmomente, die Gerichte regelmäßig als Hinweis auf eine Scheinfirma werten:
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Der Subunternehmer hat keine eigene Website, Büroräume oder Telefonnummer.
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Die gleiche Firma stellt identische Rechnungen für verschiedenste Leistungen aus.
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Es gibt keine vertragliche Dokumentation, keine Leistungsnachweise, keine Baustellenprotokolle.
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Der Geschäftsführer der Firma ist nicht auffindbar oder verfügt über keine erkennbare Qualifikation.
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Zahlungen erfolgen bar oder über intransparente Auslandskonten.
Wie können sich betroffene Unternehmen schützen?
Unternehmen, die regelmäßig mit Subunternehmern zusammenarbeiten, sollten Präventionsmaßnahmen treffen, um nicht ins Visier der Ermittlungsbehörden zu geraten. Dazu gehören:
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Gründliche Auswahl und Prüfung der Subunternehmer (z. B. Handelsregisterauszüge, Referenzen, Betriebsbesichtigung),
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Dokumentation aller Leistungen (Bautagebücher, Lieferscheine, Fotos, Prüfprotokolle),
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Überwachung von Zahlungsflüssen und Vermeidung von Barzahlungen,
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klare vertragliche Regelungen, Leistungsbeschreibungen und Zahlungsmodalitäten,
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Sensibilisierung und Schulung von Führungskräften und Buchhaltung.
Warum eine spezialisierte Verteidigung entscheidend ist
Wer wegen Steuerhinterziehung durch Scheinfirmen beschuldigt wird, sollte keinesfalls abwarten oder auf eine gütliche Lösung ohne Verteidigung hoffen. Steuerstrafverfahren sind hochkomplex und erfordern neben strafrechtlicher auch steuerrechtliche Expertise.
Rechtsanwalt Andreas Junge und Dr. Maik Bunzel, beide Fachanwälte für Strafrecht und zertifizierte Berater für Steuerstrafrecht, verfügen über umfangreiche Erfahrung mit genau diesen Fallkonstellationen. Sie arbeiten bundesweit mit Steuerberatern, Betriebsprüfern und Gutachtern zusammen und setzen alles daran, Verfahren frühzeitig zu beenden oder Schäden zu begrenzen.
Ziel der Verteidigung ist es stets, eine Anklage zu vermeiden, strafmildernde Umstände geltend zu machen oder – wo möglich – eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Auch der Schutz der Reputation und der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit des Unternehmens steht im Fokus.
Die Beauftragung einer Scheinfirma kann selbst für gutgläubige Unternehmen strafrechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Unzureichende Kontrolle von Subunternehmern kann zur Steuerhinterziehung führen – mit erheblichen Risiken für Geschäftsführer, Unternehmen und Mitarbeiter.
Umso wichtiger ist es, im Ernstfall frühzeitig zu handeln und eine spezialisierte Verteidigung zu beauftragen. Nur so lassen sich die rechtlichen Risiken wirksam kontrollieren – und unter Umständen der komplette Verlust der wirtschaftlichen Existenz abwenden.