Strafrechtliche und dienstrechtliche Folgen bei dem Verdacht auf Besitz oder Verbreitung kinderpornografischer Inhalte
In den vergangenen Jahren haben strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes oder der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte nach § 184b StGB deutlich zugenommen. Diese Entwicklung macht auch vor Angehörigen der Bundeswehr nicht Halt. Für betroffene Soldaten stellt ein solches Verfahren nicht nur strafrechtlich, sondern auch disziplinarrechtlich eine erhebliche Belastung dar – mit potenziell existenzbedrohenden Konsequenzen für die militärische Laufbahn.
Was regelt § 184b StGB?
§ 184b StGB stellt das „Besitzen, Verschaffen, Verbreiten und Zugänglichmachen“ kinderpornografischer Inhalte unter Strafe. Die Vorschrift wurde zuletzt 2021 verschärft. Seitdem ist bereits der Besitz eines einzigen Bildes mit kinderpornografischem Inhalt ein Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuchs – die Mindeststrafe beträgt ein Jahr Freiheitsstrafe, es gibt keinen minderschweren Fall mehr.
Strafbar ist unter anderem, wer sich kinderpornografisches Material beschafft – etwa durch Besuch entsprechender Websites, durch den Erhalt über Messenger-Dienste oder durch aktives Herunterladen von Dateien. Auch das bloße „Besitzen“, also das Speichern eines Bildes auf dem Smartphone, USB-Stick oder in der Cloud, genügt. Selbst dann, wenn der Beschuldigte keine Kenntnis vom genauen Inhalt hatte, können Ermittlungen eingeleitet werden – insbesondere, wenn technische Spuren (Logdateien, Dateinamen, Chatverläufe) auf einen bewussten Zugriff hindeuten.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu klargestellt:
„Für die Tatbestandsverwirklichung genügt es, wenn der Täter die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein kinderpornografisches Bild ausübt und Kenntnis von dessen Inhalt hat oder zumindest billigend in Kauf nimmt, dass es sich um kinderpornografisches Material handelt.“
(BGH, Beschluss vom 21.04.2020 – 4 StR 610/19)
Wie wird gegen Soldaten ermittelt?
Ermittlungen gegen Bundeswehrangehörige werden wie gegen jede andere beschuldigte Person durch Polizei oder Staatsanwaltschaft geführt – entweder nach konkreter Anzeige, im Zuge von bundesweiten Fahndungsmaßnahmen (z. B. bei Plattformen wie „Elysium“ oder „Boystown“) oder durch digitale Spurensicherung im Rahmen anderer Verfahren.
Besondere Bedeutung erlangen solche Verfahren aber aufgrund der Anbindung an das Wehrrecht: Sobald der zuständige Disziplinarvorgesetzte von einem strafrechtlichen Anfangsverdacht erfährt, wird dies regelmäßig an das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr und an die Wehrdisziplinaranwaltschaft gemeldet. Spätestens mit Einleitung eines Ermittlungsverfahrens droht die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens (§ 17 WDO).
Besonderheiten im militärischen Disziplinarrecht
Der Dienstherr ist verpflichtet, unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens zu prüfen, ob ein Dienstvergehen vorliegt. Der Vorwurf des Besitzes kinderpornografischer Inhalte gilt als schweres Dienstvergehen – selbst wenn keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt. Disziplinarmaßnahmen wie die Kürzung von Bezügen, Dienstgradherabsetzung oder die Entfernung aus dem Dienstverhältnis sind auch dann möglich, wenn das Strafverfahren eingestellt oder mit geringer Strafe abgeschlossen wird.
Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu entschieden:
„Die schwerwiegende Verletzung der Dienstpflicht zur Achtung und Wahrung der Gesetze liegt regelmäßig bereits bei strafrechtlich relevantem Verhalten im Zusammenhang mit kinderpornografischen Inhalten vor – unabhängig von dienstlichem Zusammenhang.“
(BVerwG, Urteil vom 22.02.2022 – 2 WD 5.21)
Diese klare Linie zeigt: Selbst das private Verhalten eines Soldaten kann disziplinarrechtlich gravierende Folgen haben, wenn es mit dem besonderen Treueverhältnis und der Vorbildfunktion eines Bundeswehrangehörigen unvereinbar ist.
Was passiert im Ermittlungsverfahren?
Nach dem Bekanntwerden des Vorwurfs ordnen Staatsanwaltschaft und Polizei meist zeitnah eine Wohnungsdurchsuchung an. Ziel ist es, Datenträger wie Computer, Laptops, Smartphones und externe Festplatten zu sichern. Auch der E-Mail- oder Cloud-Zugang wird regelmäßig geprüft.
Ein Ermittlungsverfahren zieht sich nicht selten über mehrere Monate – insbesondere wenn große Datenmengen ausgewertet oder Inhalte auf ihre strafrechtliche Relevanz überprüft werden müssen. Eine Anklage wird erhoben, wenn die Staatsanwaltschaft der Auffassung ist, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht (§ 170 Abs. 1 StPO). In besonders gelagerten Fällen kann auch Untersuchungshaft in Betracht kommen (§ 112 StPO), etwa bei Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr.
Verteidigung in Aussage-gegen-Technik-Konstellationen
In vielen Fällen ist unklar, ob der Beschuldigte tatsächlich von dem Inhalt der Dateien Kenntnis hatte. Der Vorwurf basiert dann auf technischen Spuren wie Metadaten, Logdateien oder Dateinamen. Verteidigung in solchen Konstellationen erfordert nicht nur strafrechtliche Expertise, sondern auch tiefes Verständnis digitaler Forensik.
Es gilt zu prüfen, ob ein Zugriff über automatisierte Prozesse (z. B. durch Autodownload in Messenger-Diensten) stattgefunden hat oder ob eine tatsächliche Wahrnehmung des Inhalts durch den Beschuldigten nachweisbar ist. Gerade bei Soldaten, deren berufliche Zukunft von der Beurteilung eines einzigen Chatverlaufs oder Bildes abhängen kann, ist eine detaillierte Akteneinsicht und technische Begutachtung entscheidend.
Fazit: Ein Verfahren mit besonders hoher Fallhöhe
Ein Ermittlungsverfahren wegen § 184b StGB ist für jeden Beschuldigten eine enorme psychische und rechtliche Belastung. Für Soldaten der Bundeswehr ist das Risiko zusätzlich durch mögliche disziplinarische Maßnahmen und die Gefahr des Dienstverlustes erhöht. Der dienstrechtliche „Ruf“ eines Soldaten kann durch ein laufendes Ermittlungsverfahren bereits irreparabel beschädigt sein – selbst wenn das Strafverfahren später eingestellt wird.
Umso wichtiger ist eine frühzeitige, spezialisierte Verteidigung, die sowohl die strafrechtlichen als auch die wehrrechtlichen Besonderheiten kennt. Eine klare Kommunikationsstrategie gegenüber Dienstherr, Staatsanwaltschaft und Disziplinarvorgesetzten kann in vielen Fällen verhindern, dass ein Anfangsverdacht zu einem dauerhaften Karriereschaden führt.